Sonnengoldene Narzissen, wie sie es wissen, wann die rechte Zeit ist, denn alles im Leben hat seine Zeit, sagt der Prediger Salomo, und jede Narzisse weiß es auch. Und ich muss es Tag für Tag lernen. Gisela Munz-Schmidt
Es blühen die Zärtlichen, Zarten.
Vorbei alles Warten.
Sonne wächst aus dem Garten.
Gisela Munz-SCHMIDT
„Denn das Kleine entzückt vor dem Großen,
und das Blau ist ewiger als das Rot.“
Gisela Munz-Schmidt
Violett Ich mische kühles Blau und warmes Rot, und es entsteht auf der Palette das Violette. Die Farbe früher Veilchen, des ersten Frühlings Lieder. Die lila Aster spät im Jahr. Und auch, wie wunderbar, der Duft von frischem Flieder. Gisela Munz-Schmidt Das Veilchen Warum lieb ich dich so? Das Kleine? Das Feine? Das Reine? Das Meine? Weil ich mich bücken muss, um das Entzücken zu erleben. Weil ich den Duft liebe und die vielen Gedichte, die sich mit dem Veilchen befassen. Doch pflücken soll ich es nicht. Ich will es für andere stehen lassen. Gisela Munz-Schmidt
Osterglocken …wiegen sich im Wind in der Wiese und im Park wild und kultiviert… Gisela Munz-Schmidt Wie bekannt ist, heißen Osterglocken Narzissen, nach Narziss, einem griechischen Adonis. Ein Beau. Narziss An eines Sees oder Flusses Gestaden zog er sich aus. Er wollte baden. Im Wasser sah er sein Spiegelbild verheißungsvoll lächeln, betörend mild, hinreißend wild, mit gleichem maßlosen Begehren. „Du bist so schön, ich liebe dich.“ Und da versank er in sich. Er ertrank. Gisela Munz-Schmidt Am Ufer erblühten dann die ersten Narzissen. Den Frühling finden Die Sonne, die Wärme, die Osterglocken wollen ins Freie und Weite dich locken. In Gärten, zwischen Polstern und Blütenkissen, wiegen sich die Prachtnarzissen. Oder sieh doch! Diese stehen heiter in der Wiese mit leuchtendem Gelb und frischem Grün, schau nur, wie sie üppig blühen! Schnür deine Schuh und mach dich bereit: Jetzt kommt die unbeschwerte Zeit! Gisela Munz-Schmidt
Gänseblümchen Erinnere dich: Die Welt war weiß voll Schnee. Aber alles weggeschmolzen, fortgeweht und hingetaut, und nun sehen wir, entzückend und vertraut, diese süßen kleinen Gänseblümchen auf der grünen Wiese. Gisela Munz-Schmidt Purpurne Blüten in unserem Garten: Das ist Naturlyrik pur!
Fotos: Gisela Munz-Schmidt
Narrenzug Hoorig hoorig hoorig isch die Katz In der schönen alten Chaise sitzen unsere Narreneltern: Unsere breite Narrenmutter und der rotgenaste Vater lassen sich um Brezeln bitten - Bissig bissig bissig isch der Hund Und der lange Narrenbaum, gezogen von der Zimmergilde: Schwarze Hosen, Silbermünzen, fesche Hüte, breite Krempen, lieben Bier und scharfe Schnäpse - Borstig borschtig borschtig isch die Sau Eine bunte Schar von Kindern: Wilde Katzen, milde Bärlein, Königinnen und Prinzessen, Indianer, Mäuse, Ritter, Zorros, Cowboys, Punks - Buure Buure Buure fresset Würscht Alte Wieber, Zwergensippen, weitgereiste Wüstenscheiche, Mäschkerle mit Tradition, Larven, Musik, Umzugskarren, alles läuft im Zug der Narren - Gizig gizig gizig isch der Beck Mit Seilen und Keilen, ohne sich zu beeilen, wird der Narrenbaum gestellt, vom Polizisten laut verschellt, und durch knallende Karbatschen mächtig kräftig eingeschnellt. Gisela Munz-Schmidt
Narrentreffen Viererbund in Überlingen
Häuser geschmückt mit rot-gelben Fahnen, Narrenmutter und -vater vereint, Menschenmassen in Reihen und Bahnen, ein Glück, dass ein bisschen die Sonne scheint! Leute schauen aus Zimmern und Stuben, genießen den Logen-Überblick. Bläser schmettern in Hörner und Tuben, Stimmung macht die Narrenmusik. Hänsele kommen mit ihren Karbatschen, schnellen, und seien sie noch so klein, mit kräftigem Schwung und Seilendeklatschen wuchtig die neue Fasnet ein. Vornehme Narren aus uralten Zünften jeder mit seinem eigenen Gesicht, dazwischen Bären, als wie in Brünften brummend: Zuschauer, fürchtet euch nicht! Orangen und Bonbons und Würste am Stiel, ein Geben und Nehmen und Werfen und Fangen, im wechselnden Narr- und Betrachterspiel. Nur ich kann keine Brezel erlangen. Schwere Schellen und gut betucht, sauberes Leinen und feines Gestick, jede Bewegung voll Anmut und Zucht, der Narrensamen am Kälberstrick. So viele Masken, aus Holz schön geschnitzt, so viele Bloter- und Pinselstecken, übermütig, vergnügt und verschmitzt beim Kopfdraufschlagen und Mädchennecken. Fransenkleidle und Benner Rössle ziehen stolz und bewegt im Rund, Hansel, Narro und Hänsele, so prächtig präsent ist der Viererbund! Hänsele, Schantle und Federhannes liefen im bunten Zug durch das Tor. Wie ein langer Strom, so rann es, bis dann an meine Füße ich fror. Gisela Munz-Schmidt
Masken
Masken geschnitzt. Mienen verschmitzt, Gefühl und Stimmung eingeritzt. Ausdruck gewitzt. Münder verzogen und Lippen gespitzt. Augen offen oder geschlitzt wie Ohren…. Gisela Munz-Schmidt
Alte Wieber
Fastnachtsfieber - Alte Wieber Merk ich Fastnachtswinde wehn durch alle Ritzen, kann zu Hause ich nicht länger sitzen, hole meine schwarze Seidenbluse mit den schönen Spitzen und den langen schwarzen Rock mit Seitenschlitzen, Omas Ausgehhut mit feinen Litzen und der kühnen Feder drauf, der spitzen, Stock und Schirm und Charme zum Flitzen, Täschchen, Umhang, Spiegel: meine Augen blitzen, ich fühl wallend mich vor Fasnetswonne schwitzen, spüre fliegend wilde Fasnetshitzen, denn es schüttelt mich das Fastnachtsfieber, und ich reih mich selig-glücklich ein in den Zug der alten Wieber. Gisela Munz-Schmidt
Aschermittwoch
Aschermittwoch Müde, ganz erschöpft mit wehem Kopfe, meine Füße wundgetanzt seit Tagen, wanke fröstelnd ich durch aschermittwöchliche Gassen, Fastnachtsfieber hat mich gestern Nacht verlassen, ausgeglonkert ausgejuckt ausgeschnellt abgestellt so wie mein Häs. Fasten muss ich, Katers Beute, streng ab heute, und ich schwör, ich esse nur noch Kutteln, Fisch und sauren Käs. Gisela Munz-Schmidt
Summer Summer sets sail, sun and sunshine prevail. Harbour good-bye, gold ‘s in the sky. Breezes blow well, spinnakers swell - every wind‘s friend am I. Gisela Munz-Schmidt From: My Way along Lake Constance
Föhnstimmung In der Silberschmiede des Windes schmilzt der See und glänzt sich aus. Da glänze ich wortlos mich ein. Gisela Munz-Schmidt Aus: Wege zum See
Foehn Mood This is what happens many a day. At a sudden it's warm in a very strange way. The air is clear. The mountains seem near. The lake shines like a melting pot. Glittering shivering burning hot. A prince and a princess. An access. An excess. From long ago and recently told. Love is madness. A fancy. A frenzy. Water is silver and gold. Gisela Munz-Schmidt From: My Way along Lake Constance
Wasser Mach mich doch nass - es sprinkelt und glitzert und spritzt, es perlt und trieft und tröpfelt, es wellt und quillt und patscht, es gluckst und glänzt und blubbert, es schlabbert und schlubbert, es quirlt und strudelt, es sprudelt - Wasser macht Spaß! Gisela Munz-Schmidt Aus: Wege zum See
Water It sprinkles and splishes and sploshes and splashes. It rushes and dashes. It hurts and it cools. It is fear and it‘ s fun. It fools with the wind and it smiles with the sun. Gisela Munz- Schmidt From: My Way along Lake Constance
Ein Kinderleben Ein Kinderleben, ein Kinderland, braucht Sonne und Hände, Wasser und Sand. Hinter dem Deich und hinter dem Damm hört die Welt auf, fängt die Welt an. Hinter der Düne und hinter dem Deich ist alles anders, sind alle gleich. Bei Ebbe und Flut ebbt alles ab, wird alles durchflutet, und alles ist gut. Gisela Munz-Schmidt
The Water in the Lake Water of constant flow. Water from ice and from snow, from running falls of the mountains, water of rivers and fountains, water from streams and from brooks and from wells, of rain, that fell drop by drop, water that seeps and that swells. Vapour and condensation. Abundance and concentration. Eternal circle without any stop. Gisela Munz-Schmidt From: My Way along Lake Constance
Mein Fluss. Der Neckar Wie jeder seine Bahn, wie jeder seinen Weg, so hat auch jeder seinen Fluss. Mein Fluss ist schmal und breit, fließt zügig und hat Wehre. Mein Fluss hat Arme alt und neu, fließt dicht und dunkel aus der Kinderzeit und hell und klärend durch die Zeit der Lehre. Er mündet schwer beladen. Wenn ich ihn heute suche, sehe ich, wie sich die Bahnen und die Wege ändern. Und finde doch den alten Schimmer und die alten Stege an seinen goldenen grünen Rändern. Gisela Munz-Schmidt
Das Wasser Es ist Stauung und Fluss. Entzücken. Verdrießen. Ist Stocken und Gießen. Ist Starren und Schießen. Ist Woge und Wiege und Welle. Ist Quelle, Sog, Wirbel und Schnelle. Ist Schnee auf dem Dach und ist Eis unterm Fuß. Ist Qual und ist Not und ist Strafe und Muss. Ist Kuss auf den Lippen, Glanz, Gunst und Genuss. Es ist Anfang und Mitte und Schluss. Gisela Munz-Schmidt
Das Wasser Die alte Hydra mit den vielen Köpfen und mit keinem taucht wieder auf. Du schlägst. Das Wasser weicht. Du krallst. Und hast doch leere Hände. Du dämmst es ein. Es dringt durch alle Wände. Du kannst‘s nicht zwingen, und du kannst es nicht zerbrechen. Wenn du es säuerst, wird sich´s ätzend rächen und hilft dir doch, wenn deine Kraft nicht reicht. Gisela Munz-Schmidt
Das Wasser ist wie wir Das Wasser ist wie wir. In einer weichen Wolke Schoß wird langsam reif es und bereit und wartet eine angemessene Zeit, dann löst‘s sich los. Das Wasser ist wie wir. Als kleiner Tropfen schlägt‘s ungewappnet auf. Es trifft auf eine vorbestimmte Stelle in einen Kreis und wird zur Welle und unentrinnbar rinnend beginnt es seinen Lauf. Das Wasser ist wie wir. Es will gesellig sein, bringt sich bewegt bewegend in das Leben ein, treibt um und an, wirkt hin und her im großen Strom und mündet und geht auf im Meer. Das Wasser ist wie wir. Den Kreislauf zu vollenden sucht es von Wärme angezogen den hohen Himmelsbogen. Und Enden wird zu Wenden. Das Wasser ist wie wir... Gisela Munz-Schmidt
Im Wasser Ich liege treibend auf dem Wasser, und es wachsen mir Gedanken aus dem Kopf und Worte so wie Haare. Ich suche tastend zu ergründen, ob das, was wehend aus mir wächst, ein Teil ist auch von mir, oder ob ich, so treibend, ein Wesen schon geworden bin der andern Welt, die ich nicht kenne, ich mir selber fremd. Ich fühle jede einzelne Wurzel aus mir wachsen und geh mit jeder Faser auf in meinem Element und bin mit meiner Haut und meinen Haaren vom Wasser völlig ungetrennt wie Wasserpflanzen. Ein abgegrenzter Teil. Und doch ein Teil vom Ganzen. Gisela Munz-Schmidt
Mein Element Das wilde Wasser ist mein Element, wenn’s hoch in tausend Tropfen schlägt, weil es mich nimmt und es mich kennt, weil es mich hält und weil‘s mich trägt. Das milde Wasser ist mein Element, wenn‘s weich mir um die Füße spielt, wenn‘s zärtlich an die Brust mir zielt und weil‘s, was brennt, mir kühlt. Gisela Munz-Schmidt Aus: Wege zum See
Two Faces of Water Water is mild like bathing a child, tender and soothing and smoothing. Strong and seductive, hard and destructive water is wild. Gisela Munz-Schmidt From: My Way along Lake Constance
Dieses Meer Dieses Meer ist mir zu groß, wirft mich um, treibt mich aus blauer Lippen, jagt mir kalte Schauer über und über - diese harten Steine brennen in meine Füße ihre spitzen alten unmissverständlichen Zeichen: Ich bin, spricht die Erde, stärker als du, kleiner Mensch, und das sagt sie ohne Hohn, einfach so, übermächtig. Gisela Munz-Schmidt
Farewell Schwimm, Liebes, schwimm, ich halte dich nicht mehr. Du gehst hinunter und du suchst das Meer, ich werde bleiben. Schwimm, Liebes, schwimm. Die Wege trennen sich. Zwei Schiffe, die sich grüßen. Zwei Schiffe ohne Wiedersehen, die zu verschiedenen Häfen gehn, die unter anderen Farben stehn und andere Segel hissen. Zwei Menschen, die die Winde und die Zeit aus ihren Armen rissen. Die auseineinandertreiben. Und wie du bist und wie du warst werd ich mit wunden Fingern in die Haut von anderen Lieben schreiben. Ich werde dich vermissen. Gisela Munz-Schmidt
Die eine Perle
Die eine Perle
leg ich dir in deine Hand.
Ein Stück vom Meer,
ein Stück vom Land,
ein Körnchen Sand
inmitten einer großen Welt Getriebe.
Ein weicher Glanz
von Schüben, Schichten, Schalen und Erinnerungen
ganz umhüllt.
Beredt und doch verschwiegen.
Ich sah sie liegen
und ich hob sie auf.
Das Zeichen und den Zauber
der Liebe.
Gisela Munz-schmidt
Kreislauf
Blüte, Frucht,
Anfang und Ende,
Wachstum, Reifung,
Wandel, Wende,
das Vergehende,
das Entstehende –
ja, ich lerne und ich weiß:
wie die Rosen leben wir im Kreis.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Rosen am Weg
Zauber
Eine Zauberin ist sie,
die Rose,
wie die Harmonie,
wie die Poesie,
wie die rote Magie –
weil sie um den Kreis
weiß.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Rosen am Weg
Mitglied einer Kette
Ein Fädchen im Netz
Anteil am Ganzen
Menschen, Tiere, Pilze, Pflanzen.
Gisela Munz-Schmidt
Verbundenheit
Nein, ich bin nicht allein.
Bei mir ist dieses andere Sein,
in dem ich mit erblasse, mit erglühe.
Ich lebe, und ich lass mich ein.
Mir ist, als ob ich manchmal welke,
doch immer wieder auch, als ob ich neu erblühe.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Rosen am Weg
Rosen am Weg
Das Zarte wahrnehmen,
es zärtlich berühren.
Die Fülle fühlen
und damit weitergehen.
Die Rosen, die am Wege stehen,
sind Pforten und offene Türen.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Rosen am Weg
Mainau Bäume, mächtig, alt und stark, Blumen, prächtig im weiten Park, Beete von Blüten, von blauen und roten, Exoten wie Boten, barocke Räume, Tulpen, Dahlien, Rosenträume, Brunnen, die sich am Wege ergießen, bunte Pflanzen an Hängen, in Wiesen, Gewächse, welche gedeihen und sprießen, Farben, die ineinanderfließen: Kommen. Bleiben. Genießen. Gisela Munz- Schmidt Aus: Wege zum See
The Island of Mainau An island that holds very special treasures, full of blooms and of butterflies, full of wonders and pleasures. The tulips in spring, in summer the roses, beautiful dahlias late in fall. The charms of nature this island exposes. Full of trees and fine flowers, and I do love them all. Gisela Munz-Schmidt From: My Way along Lake Constance
An die Insel Mainau habe ich viele persönliche Erinnerungen – an Besuche allein, mit Familie oder mit Freundinnen und Freunden.
In diesem Zusammenhang fällt mir immer wieder ein, wie sich Sibylle Buderath und ich auf unser Buch „Rosen am Weg“ vorbereiteten. Sibylle wollte ihre Rosenaquarelle „en plein air“ malen, wurde aber immer wieder von neugierigen Menschen gestört, die ihr über die Schulter blicken wollten. So zogen wir zu zweit los, sie verschwand hinter die Rosenbüsche mit ihrer Staffelei, fand Motive zum Malen, und ich stand vorne als Wächterin am Weg und ließ mich durch Beobachtungen und Einsaugen der rosealen Atmosphäre inspirieren, konnte so die Leute ablenken, und wenn Sibylle fertig war, gingen wir zusammen ins Café und schauten und besprachen, welche Bilder und welche Texte zusammenpassen könnten.
Hier drei Beispiele aus unserem Lyrikbildband ROSEN AM WEG:
Auf der Insel Mainau wird nicht nur der Schönheit und Vielfalt der Pflanzen gehuldigt, sondern durch naturnahe Areale und informative Anlagen wird auch das ökologische Bewusstsein geschärft.
Besonders der Insektenschutz verdient Beachtung! Im Schmetterlingshaus und in Insektenhotels versammeln sich zahlreiche Vertreter der Insektenfamilien.
Für den NABU Überlingen habe ich 2018 eine Art Pamphlet verfasst,
nachdem ich auf den Hortus Insectorum und das Netzwerk von Markus Gastl aufmerksam gemacht wurde.
Weil die Mainau sich auch dem Insektenschutz verschrieben hat, stelle ich es hier ein, ohne Anspruch auf literarische Qualität!
Die Inhalte der Paarreime sind allerdings unbestritten.
Das Insekt Vor 400 Millionen Jahren, so wurde entdeckt, lebte bereits das erste Insekt. Und jetzt müssen wir leider, ohne Fragen, seinen gewaltigen Rückgang beklagen. Früher klebte es an Fensterscheiben, da brauchen wir es längst nicht mehr abzureiben. Möglicherweise haben wir es unter Asphalt begraben? Oder es hat einfach zu viel Glyphosat, Phosphat, Nitrat geschluckt und das Zeug einfach nicht ausgespuckt? Mit Blümchen und Bienchen ist es auch nicht weit her, Monokulturen sind artenleer. Auch die Gärten mit Schotter, Granit und Kies sind für das Insekt kein Paradies. Selbst der fliegende Luftverkehr macht dem Insekt das Leben schwer. Zwischen Hochhäusern findet sich auch nicht schnell ein angemessenes Insektenhotel. Nicht mal auf dem Balkon den Zwetschgenkuchen will so ein Insekt noch einmal versuchen. Kein Tier tanzt dir, summ summ, brumm brumm, auf deiner Menschennase herum. Die Leute müssen sich nun wohl bequemen, Bestäubung mit Pinseln selbst vorzunehmen. Und die Insektenfresser, fast hätt ich´ s vergessen, müssen nun halt jetzt was anderes fressen. Das Insekt, verachtet und verhasst, hat sich eben nicht angepasst! Ach Gott, was wird meine Liste lang, allmählich wird mir um das Insekt doch bang. Es dämmert mir langsam, und mir wird klar, das Insekt ist in großer Lebensgefahr. Und also zitiere ich Einstein hier: Erst stirbt das Insekt. Dann sterben wir. Gisela Munz-Schmidt
Das Geheimnis Es gibt ein Geheimnis, das musst du mir lassen. Sein Kern ist jenseits von Lieben und Hassen, ist fern von Streicheln oder Streiten, weit ist sein Kern von Stunden oder Zeiten, ist losgelöst von Gut und Böse, Ja und Nein, ist abgewandt von Grob und Fein und überschreitet Groß und Klein, lebt nicht in Hirn, Herz, Ader oder Bein; ist weder Glück noch Grausamkeit, noch Trauer; ist wie ein Wind, ein Hauch, der geht und weht durch jede Mauer. Sein Kern ist wesenhaft und rein; ist spürbar, und doch nie zu fassen. Dieses Geheimnis musst du mir lassen. Gisela Munz-Schmidt Aus: Erfüllung finden
Die Frau Ich fühl mich wohl in meiner Frauenhaut. Ich bin zwar nicht so groß und stark gebaut, doch groß genug, mich ganz zu fassen, und stark genug, mich ganz zu lassen. Ich fühl mich wohl mit meinem Frauenherz. Es ist zwar nicht so hart und fühlt sehr leicht den Schmerz, doch hart genug, Schläge zu überstehen und leicht genug, Fehler zu übergehen. Ich fühl mich wohl mit meinem Frauenhaar. Es wächst, du kannst die Jahresringe sehen. Ich färb es ein und bleich es aus, bind‘s fest zusammen, und ich lass es offen wehen. Gisela Munz-Schmidt Aus: Erfüllung finden
Ich weiß, es ist zu früh für Rosen, jahreszeitlich.
Aber es ist nie zu früh oder zu spät, die Fülle zu fühlen oder durch neue Pforten zu gehen. Überall und irgendwo stehen Türen offen.
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Ausweg Kalter Regen schnitt in alte Spinnweben und bleiern bleckte der Asphalt. Da lief ich und holte mir einen Arm voll Rosen. Gisela Munz-Schmidt Aus: Kleine Gedichte Große Gefühle
Liebe Geh doch zu den Rosen, wenn du wissen willst, was Liebe ist. Sich öffnen. Sich verströmen. Sein Äußerstes und Innerstes geben. Trotz Regen und Sturm und Wind für die Sonne leben. Gisela Munz-Schmidt Aus: Kleine Gedichte Große Gefühle
Heute, an Mariä Lichtmess, will ich mich Maria widmen. Ich beschäftige mich zur Zeit unter anderem mit der Mondsichelmadonna oder auch Strahlenkranzmadonna, denn ich lebe im Bodenseeraum in einer kulturkatholisch geprägten Gegend mit zahlreichen Kunstschätzen, welche die Mutter von Jesus darstellen.
In unserem Winter-und Weihnachtsbuch ( mit Aquarellen von Sibylle Buderath im Verlag Stadler Konstanz) steht mein Gedicht in etwas geänderter Fassung:
Maria Wer bist du? Niemand weiß es genau. Mutter. Göttin. Frau. Du hast dein Kind auf die Welt gebracht unter Schmerzen wie wir. Licht in die Nacht. Wir sehen dich wieder übergroß, Pietà, den gekreuzigten Sohn auf dem Schoß. In Mandorla und Rosenkranz wirst du verehrt im Kerzenglanz. Deine Farben sind uns von jeher vertraut. Vergangen bist du und ewig. Glatt bleibt deine Haut. Du hast gelebt, geliebt, gelitten, gebüßt. Maria. Sei mir gegrüßt. Gisela Munz-Schmidt
Rosenkranzaltar in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Owingen:
Als Mondsichel- oder Strahlenkranzmadonna wird in der christlichen Ikonographie ein Marienbildnis bezeichnet, das durch die Beschreibung der apokalyptischen Frau in der Offenbarung des Johannes geprägt ist. Die Mutter Gottes steht auf einer Mondsichel, die manchmal auch von einer Schlange umwunden ist, hält meistens das Jesuskind auf dem linken Arm und in der Rechten oft ein Zepter.
Offenbarung 12: ( Übersetzung Martin Luther)
„Und es erschien ein großes Zeichen im Himmel: ein Weib, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen.“
Die treue Amme auf Bodman Zu Bodman im großen Rittersaal saßen Herren beim Rittermahl anno 1307, so hat es der Chronist geschrieben. Zwar war der Hausherr gerade auf Reisen, doch auch ohne ihn ließ es sich trefflich speisen. Sie aßen und zechten und lachten, nichts Böses sie ahnten, sie machten Pläne, redeten, tranken und breiteten aus so manchen Gedanken und erzählten vielleicht auch so manchen Witz. Da plötzlich! Aus düsterem Himmel ein Blitz! Und dann ein grollender Donnerschlag, die Nacht grell erleuchtet wie heller Tag. Es saßen todgeweiht die Ritter mitten in diesem Feuergewitter. Und ach! Eine riesige lodernde Flamme! Das sah tief erschrocken die treue Amme. Ihr Herz, das zuckte: „Das Kind! Der Erbe! Was kann ich tun, dass er nicht sterbe!“ Versperrt durchs Feuer waren Stiegen und Gänge, doch unten standen die Leut im Gedränge und sahen entsetzt und fassungslos das lichterloh brennende Ritterschloss. Da nahm die Amme ganz geschwind das geliebte Kind und packte es in Kissen ein, legte es in einen Kessel hinein, verschloss denselben, einen Spalt ließ sie offen und rief hinunter, mit Bangen und Hoffen: “Hebt auf das Kind! Nehmt in Gotts Namen an es, es ist der Erbe, der kleine Johannes!“ Im Gestrüpp blieb er hängen, im Kessel gebettet, die Leute fanden ihn, das Kind war gerettet. Der Burgherr selbst, als er kehrte zurück, fand Unglück vor, doch fand er auch Glück, seine Burg zwar verbrannt, doch sein Kind am Leben. Was kann es größere Freude geben? Alle von Bodman, die nach ihm kamen, tragen bis heute Johannes im Namen. So ist es geschehen, vor langer Zeit. Die treue Amme hieß Adelheid. Gisela Munz-Schmidt Nach: Theodor Lachmann, Sagen und Bräuche am Überlinger See
Wo die Burg gestanden, ließ der Burgherr Hans von Bodman eine Kapelle bauen zu Ehren „Unserer lieben Frauen“, weshalb der Berg von jetzt an Frauenberg genannt wurde.
Siehe auch die ausführliche BROSCHÜRE
Der Frauenberg
Sagen vom Bodensee
Das Nebelmännle von Bodman
Das Nebelmännle von Bodman Das Trübe, Vage, Falbe, Nasse, das Ungewisse und das Blasse, feuchtes Wabern, hell und bleich, das ist des Nebelmännleins Reich. Blicklos, sichtlos, weiß wie Milch, im Nebel herrscht der kleine Knilch. In seinen fahlen grauen Schwaden bewirkt das Männlein manchen Schaden, sein Nebelstreif erschafft den Reif an ersten zarten Rebenblüten, und auch die Fischer sollten sich hüten, dass der Nebel sie nicht gänzlich verwirre und sie führe in die Irre und das Männlein sie in die Tiefe zieht, wie das so manches Mal geschieht. Doch einem Herrn von Bodman verhalf es zum Glück. Blicken wir in das Vergangene zurück: Der Ritter, bevor er verließ sein Haus, tauschte liebend zwei goldene Ringe aus, wenn nach sieben Jahren er nicht wiederkäme, seine Liebste einen anderen zum Manne nähme. Er ritt in die Ferne, sah Länder weit, sah Berge und Meere, so verging die Zeit. Da lockte ihn auf einen Hügel ein Licht. Ein kleines Männlein zu ihm spricht. Es wollte ihm ein Versprechen entlocken. Ihn störten so sehr die Nebelglocken! Wenn der Ritter das Läuten unterbinde, er seine Braut gleich wiederfinde. Schneller als Wind und alle Pfeile, wie des Menschen Gedanken so schnell er eile nach Bodman. Als dann die Braut ihrem Glas einen Ring entnahm, erkannte sie ihren Bräutigam. So drang der Liebe Sonnenschein in den dichten Nebel ein. Und versprochen! Wahrhaftig bis heute schweigt der Nebelglocken Geläute. Gisela Munz-Schmidt Nach: Theodor Lachmann, Sagen und Bräuche am Überlinger See
Heute möchte ich es mit einer Sage ganz genau nehmen und den Unterschied zwischen Vorlage, Ausarbeitung und Deutung aufzeigen.
- Die Vorlage
- Meine Gestaltung als Ballade
- Meine Deutung
Die Vorlage, meine Quelle, steht unter dem Titel „ Das Ritterfräulein von Hohenbodman“ in der Sammlung des Überlinger Arztes und Museumsgründers Theodor Lachmann unter der Rubrik „Owingen mit Bambergen und Hohenbodman“ als Nr. 91 auf Seite 113 in der Ausgabe von 1972.
….Früher, namentlich um die Fastenzeit, sah man manchmal eine Frauengestalt im weißen Gewand um den Turm spazieren gehen. Auch will man dort einen feurigen Mann oder auch ein Licht wahrgenommen haben, die aber verschwanden, wenn man auf sie zuging. Der Sage nach hatte dereinst ein Ritterfräulein von Hohenbodman eine Liebschaft mit einem Burschen der Gegend, der weit unter ihrem Stand war. Bei einem Stelldichein mit ihrem Geliebten wurde sie von ihren Brüdern getroffen und von ihnen auf der Stelle ermordet. Unter dem Turm soll sich ein Keller mit Schätzen befinden, unter ihnen ein goldenes Kegelspiel. Aber niemand kann es finden….
Meine Gestaltung:
Meine Deutung
Mein zentrales Motiv war die Liebschaft des Fräuleins und des Burschen. Ich habe mir ausgemalt, wie es dazu kommen konnte, und eine Notsituation erfunden, die einen hohen emotionalen Druck erzeugte. Der Bursche hatte Todesangst vor den Wölfen, die hier als fürchterliche Bedrohung eingesetzt sind. ( Das hat mit meiner persönlichen Meinung zu wirklichen Wölfen nichts zu tun! ) Auch das Fräulein hatte Angst, und es war ihr unheimlich – wilde Wölfe, Mondnacht, klirrende Kälte – das alles wühlte sie auf.
Die Liebesgeschichte reduziert sich auf die Frage: Kannst du mir Zuflucht geben? Und die Antwort durch eine Handlung : sie…ließ den Burschen ein.
Durch eine Sondersituation waren die Standesunterschiede aufgehoben, zwei Menschen begegneten einander, die dieselben Gefühle verband. Ich fand es schön, dass sich die symbolhafte Wolfshorde in ein goldenes Kegelspiel verwandelte. Das Triebhafte, Angstbesetzte wurde zivilisiert und veredelt, ich glaube, durch die Liebe.
Die Strafe der Brüder habe ich weggelassen, weil ich den von mir gewählten Kern der Geschichte nicht zerstören wollte. Den Brüdern waren andere Werte wichtig, und durch den Mord, hier ein Ehrenmord, gab es die sogenannten Unerlösten, die Wiedergänger und Untoten, die als Lichterscheinungen oder Feuergestalten umhergehen und spuken müssen. Das wäre ein anderes Sagenmotiv, das häufig in verschiedenen Gegenden vorkommt. Ich aber wollte die schicksalhafte phantasierte Begegnung des Liebespaares einfach so folgenlos stehen lassen.
Ich bin nicht oft so weit über eine Vorlage hinausgegangen. Darf ich das? Aber natürlich! Dazu berechtigt mich meine Licentia poetica, meine dichterische Freiheit.Inzwischen habe ich eine andere Interpretation geschrieben:
Das Ritterfräulein von Hohenbodman Um den Turm herum eine weiße Gestalt, ein Ritterfräulein, die Sage ist alt, erlag dereinst der Liebe Gewalt. Ihren Liebsten sie fand unter ihrem Stand. Die Liebschaft jedoch war von kurzer Dauer, ihre Brüder legten sich auf die Lauer und ermordeten grausam sie und ihn. Unerlöst sieht man nachts um die Burg sie ziehn. Gisela Munz-SchmidtWilderich Graf Bodman : „ Diese Sage entbehrt jedenfalls einer nur annähernden historischen Bestätigung.“
Vergleiche dazu die Sage von Albero von Bodman und den von Graf Bodman erläuterten historischen Hintergrund.
Aufstehen und große Augen machen. Und den Tag einfach kommen lassen. Mehr lachen. Das sind meine Vorsätze für das neue Jahr! Und natürlich gibt es auch Wünsche…
In dieser Zeit Wenn die Kinder fragen: Wie lange noch? Wenn die Eltern seufzen: Wie viel noch? Wenn die Alten denken: Wie oft noch? Wissen alle: Die Zeit ist nah. Gisela Munz-Schmidt Aus: Winter- und Weihnachtsbuch
Es wurde nicht nur ein Friedhof geschändet. Was dann? Der Glaube. Und sie zerstörten nicht nur Kreuze. Was sonst? Hoffnung. Und es wurden nicht nur Steine beschmiert. Was noch? Wiedergutmachungsversuche. Und es wurden nicht nur die Toten beleidigt. Wer denn? Ihre Angehörigen, ihre Freunde, die Erbauer der Gräber, ihre Nachbarn und überhaupt… Wer überhaupt? Du. Ich. Gisela Munz-Schmidt Aus: Gedichte gegen Gewalt mit Bildern von Horst Müller
Weitere Auszüge aus „Gedichte gegen Gewalt“ finden sich unter der Rubrik Themen .
Albero von Bodman
Der mittelalterliche Ritter Albero von Bodman war in einem Kreuzzug in türkische Gefangenschaft geraten. Da er seinem christlichen Glauben nicht abschwören wollte, wurde er jahrelang festgehalten. Er sehnte sich nach seiner Heimat Hohenbodman.
Sehnsucht nach Heimat,
was bedeutet das?
Sehnsucht nach Kindheit, Geborgenheit,
nach Unbefangenheit,
nach Spielen im Wald, im Feld, im Gras,
nach Singen und Lachen und Stromern und Schweifen,
mit Hunden und Pferden die Gegend durchstreifen,
Sehnsucht nach Freude und Spaß.
Nach Verstecken
und Entdecken.
Nach Springen und Ringen und Toben,
nach Kräfteerproben!
Und nicht zu vergessen:
Nach Lieblingsessen!
Nach dem Duft der Kindheit und nach Gerüchen
in Stuben und Ställen und Kellern und Küchen.
Nach vertrauten Lauten, geteilten Geheimnissen,
nach Lernen, Erfahren und Hören und Wissen.
Sehnsucht nach Freunden und Kameraden,
nach Mutter und Vater und allen Lieben,
der ersten, der letzten, der großen,
nach Umarmungen, nach Küssen und Schmusen und Kosen…
Wie durch ein Wunder, mit göttlicher Hilfe, konnte er heimkommen.
Als Dank hat er die Kapelle Maria im Stein gestiftet, weil er da seine Burg zum ersten Mal wiedersah.
1217 starb er in seiner geliebten Heimat.
Hier können wir seiner Sehnsucht nachspüren.
Gisela Munz-Schmidt
Wilderich Graf Bodman schrieb mir auf meine Nachfrage:
„Leider haben wir keine Unterlagen über diesen Namensträger, der der Überlieferung nach die Kapelle Maria im Stein gestiftet hat. In unserer Stammtafel wird ein Albero de Podeme genannt, der 1213 auf einer Urkunde des Stauferkönigs Friedrich II. als Zeuge aufgeführt ist. Sein Sohn, der angeblich 1217(?) verstorbene Albero de Bodemin, hat nach einer Salemer Urkunde 1217 dem Kloster einen Weinberg bei Überlingen übergeben, weil er sich einem Kreuzzug angeschlossen hat.
Im Zusammenhang mit diesen Familienmitgliedern können Sie gerne das Stammwappen mit den drei Lindenblättern aufnehmen.“Wappen von 1340
in Hohenbodman steht die tausendjährige Linde, daher wohl die drei Lindenblätter im Wappen derer von und zu Bodman
Quellen: Gedenktafel Maria im Stein
Broschüre Lippertsreute Maria im Stein, Regensburg 2000 S.4
Unten: Wegtafel mit Informationen zu Maria im Stein als Wallfahrtsort
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